Tim Stübane Horizont

Dieser Tage wird viel über die Wichtigkeit von Haltungsmarketing diskutiert - gerade weil die Menschen sich in unruhigen Zeiten mehr Tatkraft und Entschlossenheit von Politik und Wirtschaftwünschen. The-Goodwins-Kreativchef Tim Stübane erläutert in seiner Talking-Heads-Kolumne, worauf es dabei für Marken wirklich ankommt.

Die Frustration ist groß – besonders in Deutschland. Der gefühlte politische Stillstand der letzten Wochen, ja Monaten, hat die Menschen zermürbt. Die gescheiterte Ampel-Koalition und die daraus resultierende Unsicherheit bis Wut haben das Vertrauen in die Politik weiter erschüttert. 68 Prozent der Menschen in Deutschland wünschen sich, dass die Politik entschlossener handelt und Probleme schneller löst, anstatt endlos zu debattieren. Die Menschen sehnen sich nach mehr Tatkraft und entschlossenem Handeln. Und was für die Politik gilt, gilt in diesem Fall auch für die Wirtschaft.

Dieser Umstand spiegelt sich auch in der neuesten Havas-Studie „Meaningful Brands“ wider. Die Menschen erwarten von Unternehmen wie vonder Politik mehr als nur schöne Worte. Sie wollen echte Taten sehen, die ihr Leben verbessern und die Welt zu einem besseren Ort machen.

Warum sind die Menschen so genervt? Ganz einfach: Sie sind es leid, immer wieder mit Hochglanzkampagnen abgespeist zu werden, die nichts verändern. Die Zeiten, in denen eine Marke mit einem netten Slogan punkten konnte, sind vorbei. Heute erwarten die Menschen, dass Marken eine klare Haltung einnehmen und diese auch konsequent und vor allem aktiv vertreten.

Die Brands-on-Mars-Studie „Marken in Verantwortung“ zeigt, dass zunehmend erwartet wird, dass Marken nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische und soziale Verantwortung übernehmen. Marken, die sich gesellschaftspolitisch engagieren und klare Positionen zu Themen wie Klimawandel, Integration und Gleichberechtigung beziehen, kommen besser an, wenn ihr Engagement authentisch und konsistent ist.

Wie sollten sich Marken jetzt verhalten? Es reicht nicht mehr, nur über Nachhaltigkeit zu sprechen – Marken müssen nachhaltige Praktiken in ihre Geschäftsmodelle integrieren. Es reicht z.B. nicht, Diversität zu feiern – Marken müssen aktiv für Gleichberechtigung und Inklusion sorgen. Marken, die dies nicht tun, werden schnell als unglaubwürdig entlarvt und verlieren das Vertrauen der Menschen. Umgekehrt können die Marken Vertrauen aufbauen, deren Kommunikation ihrem Handeln entspricht.

Lasst uns handeln, damit aus dem Stillstand Action wird

Es sollte somit ein Abgleich zwischen der Markenkommunikation und der Handlung der Marke, des Unternehmens stattfinden. Besteht die Gefahr des Ethics Washing (also des Green Washings oder Social Washings), so ist entweder eine Justierung der Kommunikation notwendig oder eine Intensivierung der Nachhaltigkeitsaktivitäten, was aber in der Regel nicht schnell genug passieren kann.

Welche Marken haben jetzt Chancen? Die Marken, deren nachhaltiges Handeln ohnehin vorbildlich ist, aber deren Markenkommunikation es bislang noch nicht schafft, dieses Engagement adäquat abzubilden, haben nun die Gelegenheit zu punkten. Mit Fokussierung auf ihre Produktbenefits können sich diese Marken nun differenzieren. Die Menschen wollen endlich wissen, was wirklich drin steckt und was sie davon haben. In der „Purpose-Kakofonie“, bei der viele Marken Großes versprechen, das sie bestenfalls mittelmäßig einhalten können, haben jetzt die konsequenten Nachhaltigkeitspioniere die Chance mit ihren vielen substanziellen Benefits zu überzeugen, die sie jahrelang im Verborgenen entwickelt, gepflegt und höchstens in ihrer Bubble kommuniziert haben. Faktischer Produktnutzen, schlau inszeniert, schlägt monumentale Haltungskampagnen!

Hierzulande gibt es einige Marken, die sich durch ihr authentisches und handlungsorientiertes Engagement in den Bereichen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung auszeichnen. Gleichzeitig gibt es bei diesen Marken noch kommunikative Potenziale zu heben, um Menschen von sich zu überzeugen und somit neue Zielgruppen zu erschließen. Dazu müssen diese Marken ihr konsequentes Handeln in gute Kommunikation übersetzen, die Produktnutzen gut inszenieren und für die breite Masse sichtbar machen.

Bild von Limor Zellermayer (Unsplash)