Text von Gabi Schreier W&V
Einem etablierten Unternehmen einen neuen Namen zu geben, ist kein Spaziergang. Wie Iskra Velichkova, Markenchein der Online- Plattform Kleinanzeigen, gemeinsam mit ihrer Lead-Agentur The Goodwins einen tiefgreifenden Wechsel orchestriert – und dabei eine Vielzahl von Dienstleistern auf eine Linie gebracht hat.
Wer als Student einen neuen Schreibtisch braucht, schaut mangels üppigem Budget gerne auf jenen Internet-Seiten nach, auf denen es so gut wie alles preisgünstig und manchmal sogar geschenkt gibt. Die Rede ist von Ebay Kleinanzeigen, mit über 37 Millionen Unique Usern (Stand: März 2023) das am häuigsten genutzte Angebot im Netz. Damit das auch so bleibt, waren in den vergangenen Monaten nicht nur Techniker und Produktmanager gefordert. Auch in der Marketingabteilung liefen die Vorbereitungen für den bisher tiefgreifendsten Einschnitt in der Unternehmensgeschichte auf Hochtouren: Seit Mitte Mai ist Ebay Kleinanzeigen Geschichte. Stattdessen werden Käufer- und Verkäufer jetzt unter Kleinanzeigen fündig.
Dahinter steht ein Kraftakt. „Ebay Kleinanzeigen in Kleinanzeigen umzubenennen, erfordert aufwändige Maßnahmen, um für Suchmaschinen auindbar zu bleiben“, sagt Iskra Velichkova, die als Head of Brand für die Marke verantwortlich ist. „Zudem müssen uns die Kunden trotz neuer URL wiedererkennen und wiederinden – dafür sorgen wir mit der Awareness-Kampagne.“
Die Nutzer waren neugierig
Aus Velichkovas Sicht ist die Rechnung aufgegangen. „Um den Launch herum“, so die Markenexpertin, „gab es den höchsten Traic auf der Seite seit der Pandemie. Wir haben die Leute neugierig gemacht.“ Die Nutzer der Plattform waren dank einer auf vielen Kanälen ausgespielten Prelaunch-Kampagne informiert und konnten den anstehenden Veränderungen damit ofenbar beruhigt entgegensehen. „Wir mussten die Nutzer so gut wie möglich im Prelaunch vorbereiten, damit sie die App wiederinden und das neue Logo erkennen“, erklärt die Velichkova – reichlich Arbeit also für Kunde und die an diesem Projekt beteiligten Agenturen. Mitte 2022 hatte Ebay Kleinanzeigen zum Pitch geladen und damit den ersten Schritt der in diesem Jahr geplanten Rebranding-Kampagne vollzogen. Sieger des mehrstuigen Auswahlprozesses und damit Leadagentur ist die Berliner Kreativschmiede The Goodwins, die 2019 erstmals für Ebay Kleinanzeigen aktiv geworden ist.
Für den neuen Markenauftritt hat die Agentur eine Kampagne (Claim: „Kleinanzeigen, große Wirkung“) entwickelt, die Nutzer der Plattform als „Secondhand-Helden“ feiert und das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund rückt. Auf diesem Weg, dem Interesse an Nachhaltigkeit, haben Kunde und Agentur 2019 auch zusammengefunden. „Auf einmal waren da zwei Unternehmen, die sich für die gleiche Sache interessiert haben“, berichtet Tim Stübane, einer der Mitgründer des 2018 gegründeten Agentur. Völlig fremd waren sich die beiden Geschäftspartner allerdings nicht: Stübane und Velichkova eint eine gemeinsame Agenturzeit bei DBB in Berlin.
Die Corona-Zeit hat gestählt
Als Leadagentur hatte The Goodwins bei der Umbenennung von Ebay Kleinanzeigen in Kleinanzeigen die Fäden in der Hand. Auf eine Machtdemonstration ist das aber ofenbar nicht hinausgelaufen. „Wir haben da keine knallharte Linie durchgezogen“, so Stübane. „Unser Ziel war es nur, darauf zu achten, dass der rote Faden der Kampagne gewahrt bleibt.“ Hand in Hand also anstatt Auge um Auge und Zahn um Zahn. Der große Vorteil war, dass sich der Großteil der beteiligten Agenturen schon eine Zeitlang kannte. Genauer seit 2020 als in der Corona-Zeit die erste Kampagne („Lasst uns handeln“) für Ebay Kleinanzeigen entstand. „Das war die Feuertaufe“, betont Stübane – weil die seinerzeit geltenden Einschränkungen auch dazu geführt hätten, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.
Gegenseitiger Respekt und gemeinsame Werte waren nach Aussage des Berliner Kreativexperten die Eckpfeiler der Zusammenarbeit zwischen The Goodwins, Gud (Social Media), Essence Mediacom (Media), Fischer Appelt (PR), Klein aber (Youtube), Gen-Up (Tiktok), Moccu (UX), Crsd (Dialogmarketing) und Mutabor (Design/CI).
Egopflege auf Kosten anderer war bei diesem Projekt nicht angesagt. „Es ging in den Meetings nicht darum, zu zeigen, dass man es kann und dass die anderen schlechter sind. Ziel war es, eine gute Idee zu haben und daran haben alle gearbeitet“, berichtet Philipp Bertisch, der die Kleinanzeigen-Kampagne auf Seiten von The Goodwins als Kreativdirektor Art verantwortet hat.
Kritik gab es natürlich auch
Die gegenseitige Toleranz ging sogar so weit, dass nicht jede Agentur bei ihren Leisten geblieben ist. So haben zum Beispiel die Digitalspezialisten von Gud Entwürfe für den Out-of-Home-Auftritt präsentiert, die dann von der versammelten Runde für gut befunden wurden. Umgekehrt, so Iskra Velichkova, habe The Goodwins die Youtube- Filme gemacht. „Wir haben bei diesem Projekt festgestellt, wie wichtig es ist, Partner zu haben, die die gleichen Werte vertreten“, bilanziert die Markenexpertin. Eine Herausforderung war die Zusammenarbeit trotzdem. „Es ist natürlich nicht einfach, mit so vielen Agenturen an einem Tisch zu sitzen und dabei auch zu Entwürfen Stellung zu nehmen, die nicht so gelungen sind“, räumt Velichkova ein. In diesem Fall sei es dann wichtig, den richtigen Ton zu inden, damit sich niemand vor den Kopf gestoßen fühlt und motiviert ist, weiter an dem Projekt zu arbeiten. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen hat sich die Mühe gelohnt. Im Mai brachte es der Online- Marktplatz zum „Advertiser of the month“, ein Titel, den das Marktforschungsinstitut Yougov gemeinsam mit dem Fachmagazin Absatzwirtschaft vergibt und der auf der in diesem Zeitraum gemessenen Werbewahrnehmung basiert. Nach den im Rahmen des Brand Index ermittelten Daten stieg die Ad Awareness im Mai um knapp acht Prozentpunkte an; der höchste Wert wurde am 20. Mai gemessen. Und noch ein Punkt ist Agentur und Kunde beim Blick auf das Gemeinschaftsprojekt wichtig: Bei der Produktion der Kampagne wurden Ressourcen geschont. „Alle haben auf eine möglichst umweltfreundliche Produktion geachtet“, betont Clemens Kandziora, Kreativdirektor Text. Gedreht wurde die Kampagne vor der Haustüre, in Berlin, mit einem lokalen Regisseur und Akteuren, die ebenfalls größtenteils aus der Region kamen. Wer konnte, kam mit dem Fahrrad oder mit öfentlichen Verkehrsmitteln – die Zeiten, in denen Werber beim Blick auf die Ökobilanz ihrer Arbeit ein schlechtes Gewissen bekommen konnten, scheinen inzwischen auch vorbei.