Wie wird ein Bösewicht zum Helden? Die Supermacht Kapitalismus steht immer stärker in der Kritik – völlig zurecht. Da stellt sich die Frage, ob Werbung als sein „Sidekick“, die Seiten wechseln und stattdessen zu einer besseren Gesellschaft beitragen kann. Dafür braucht es mit Sicherheit mehr als CSR Kampagnen oder Award-Ideen für NGOs, die in der Branche gerade angesagt sind. Es erfordert einen ernsthaften, ganzheitlichen Ansatz.

Wir müssen an die Kraft dessen glauben, was wir tun – Werbung.

Wir, die wir in der Werbebranche arbeiten, müssen an die Kraft unserer Profession glauben.

Die Kraft der Werbung. Die Kraft, Produkte und Dienstleistungen bekannter zu machen. Die Kraft, Verhaltensmuster zu ändern. Die Kraft feststehende Einstellungen und Images aufzubrechen. Wir müssen daran glauben, dass es tatsächlich funktioniert und dass es sinnvoll ist. Sobald wir das nicht mehr tun, verliert das, was wir tagtäglich machen, automatisch an Bedeutung. Eine logische Konsequenz ist dann beispielsweise der Einstieg ins Freelance-Dasein, um Leib und Seele nicht an das Schicksal einer Agentur zu binden. Genau das können wir momentan beobachten: Eine Epidemie von Freelance-Talenten in der Werbung.

Wir müssen außerdem an die Kraft von Konsum glauben. Ihn zu tabuisieren, führt nirgendwohin. Konsum ist eine zentrale Technik in unserer Gesellschaft. Zu glauben, dass wir die Probleme der Welt nur lösen können, wenn wir alle auf Konsum verzichten, ist eine Utopie. Konsum ist, zumindest für die absehbare Zukunft, unvermeidbarer Bestandteil unserer Kultur und hat die maßgebliche Kraft, positive oder negative Veränderungen zu bewirken. Was passiert also, wenn man Konsum als Tabu betrachtet? Man glaubt konsequenterweise auch nicht an die Kraft seines Sidekicks, Werbung. Das führt dann unweigerlich zu schlechterer Kommunikation. So enden großartige nachhaltige Produkte und Marken, die maximalen Erfolg verdienen würden, mit schlechter oder gar keiner Werbung.

Die besten Produkte und Services verdienen die beste kreative Kommunikation. Auf diese Weise kann es gelingen, Konsum – und damit vielleicht sogar die Welt – ein Stück in die richtige Richtung zu justieren.

Doch es kann eben nur mit Kommunikation von außergewöhnlicher Qualität gelingen, um gehört zu werden und relevant zu sein. Es erfordert unsere ganze Überzeugung und Leidenschaft, um Kommunikationsideen zu entwickeln, die relevant sind für die Menschen. So relevant und unterhaltsam, dass sie sie freiwillig in ihr Leben lassen, sich damit beschäftigen oder sie mit anderen teilen. Dabei kommt es nicht auf das Medium an oder darauf, in welche Kategorie von Werbung die Idee fällt. 

Wir müssen ein System schaffen, das diese Kraft entfesselt.

Um zu besseren Ergebnissen zu kommen, müssen wir uns damit beschäftigen, wie wir sie tagtäglich erreichen. Gemeinsam, in Agenturen, mit Partnern, mit unseren Auftraggebern.

Beginnen wir bei uns selbst, den Agenturen. Es wurde viel geschrieben zum kaputten Geschäftsmodell unserer Branche. Aber nicht genug wurde probiert, um etwas zu ändern. Wie bei Kapitalismus im Allgemeinen, ist die anfängliche naive Begeisterung verflogen. Mehr und mehr wird uns bewusst, dass wir zu lange arbeiten, in schlechten Prozessen, für Marken, von denen wir selbst nicht sicher sind, ob sie erfolgreich sein sollten.

So sehr wir überzeugt sind, dass dieses Dilemma nur uns selbst betrifft, sollte es niemanden überraschen, dass es unseren Partnern und Kunden häufig genauso geht. Denn eine Sache betrifft uns alle gleichermaßen: Während wir versuchen, die höchsten Standards und Ambitionen aufrechtzuerhalten, sehen wir uns dem zunehmenden Druck sinkender Ressourcen, wie Budgets oder Zeit, ausgesetzt.


Wie verändern wir die Art und Weise, wie wir arbeiten, um wieder ein funktionierendes System zu erschaffen? Ein System mit positiver Energie, in dem alle Mitarbeiter, Partner und Kunden gewinnen? Der Schlüssel liegt darin, allen Beteiligten zuzuhören und die jeweiligen Herausforderungen ernst zu nehmen. Da gibt es die organisatorischen Herausforderungen innerhalb von Agenturen, die momentan nicht unbedingt aufgebaut sind, um maximale Motivation bei Mitarbeitern und Kundenzufriedenheit auf der anderen Seite unter einen Hut zu bringen. Um das zu lösen, sind neue Ideen notwendig, die flachere Hierarchien ermöglichen. THE GOODWINS setzen auf ein zweistufiges Modell, das von amerikanischen Anwaltskanzleien inspiriert ist. Pro Projekt gibt es nur zwei Hierarchieebenen, eine Senior-Ebene und eine Junior-Ebene. Das bringt viele Vorteile mit sich: direktere Kommunikation, mehr unmittelbare Entscheidungskraft, schnellere Lernkurven, höhere Identifikation mit den Aufgaben, schlankere Prozesse und Kostenstrukturen. Es ermöglicht der Agentur außerdem, kleine Teams als permanente Partner für Kunden zu etablieren, was einen ständigen und direkten Austausch schafft. Dadurch können viele der häufig auftretenden Ineffizienzen auf Agenturseite vermieden werden. 

Eine andere Herausforderung ist die fehlende Flexibilität vieler Agenturen, insbesondere wenn es um Arbeitszeiten geht. Viel zu oft lautet der Modus operandi schlichtweg, länger zu arbeiten. In einer Branche, die vom kreativen Potenzial ihrer Talente abhängig ist, scheint das fahrlässig, beinahe fatal. Es sollte vielmehr anders herum sein. Den Mitarbeitern sollte es möglich sein, mehr Zeit außerhalb des Büros zu verbringen. Beispielsweise, indem man die Arbeitswoche auf vier Tage reduziert. Zum Ausgleich nehmen viele Mitarbeiter eine Reduktion des Gehalts in Kauf. Für viele ist Zeit heute ohnehin wertvoller als Geld. Langfristig erweisen sich solche Modelle der Arbeitszeitgestaltung rentabler als Tag für Tag das Maximum aus jedem Mitarbeiter herauszupressen.

Zu guter Letzt ist die Beteiligung von Mitarbeitern am Gewinn, zusätzlich zum regulären Gehalt, die Grundlage vieler neuer Modelle. Jeder Mitarbeiter sollte als Partner behandelt werden und seine Verantwortung zum Erfolg der Agentur beizutragen, spüren und auch daran beteiligt werden.

Auch mit Produktionspartnern ist ein faires wirtschaftliches Miteinander in der Zusammenarbeit wichtig. Während alle versuchen, ein Maximum an Qualität zu erreichen, haben Agenturen dies nicht selten zulasten von Partnern getan. Diese fair zu behandeln, ihre Herausforderungen ernst zu nehmen und ihnen zu helfen, erfolgreiche Arbeit zu leisten, sollte jedoch das Ziel jeder Agentur sein. In langfristigen Partnerschaften liegt ein Schlüssel für nachhaltigen Erfolg. Sie sind der einzige Weg, um Vertrauen aufzubauen und kontinuierlich gute Arbeit zu leisten.

Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit mit Auftraggebern. Mehr Projektaufträge, mehr Pitches – es ist offensichtlich, dass die Kluft zwischen Kunden und Agenturen wächst. Misstrauen liegt in der Luft. Es wird angezweifelt, wieviel Agenturen tatsächlich leisten und was sie dafür berechnen. Schuld ist oft ein Mangel an Transparenz bei gleichzeitig hohem Overhead, fehlende Agilität und Verständnis als Resultat aus inhaltlichem Desinteresse und schwachem Commitment. Der Schlüssel zur Lösung dieser Probleme liegt darin, ein engeres und transparenteres Arbeitsverhältnis zu schaffen und die Probleme innerhalb der Agentur ernsthaft zu lösen.

Auch hier hilft die bereits erwähnte Teamstruktur aus zwei Mitarbeitern, einem Senior und einem Junior, pro Projekt. Dieses agile System schafft direkte Feedbackschleifen und vermeidet komplexe Prozesse, wechselnde Ansprechpartner und unklare Zuständigkeiten.

Noch mehr Raum für Verbesserung gibt es außerdem in der Haltung, mit der Kundenprobleme betrachtet werden. Die Arbeit einer Agentur endet nicht mit der Präsentation brillanter Kreativideen. Die internen und prozessualen Herausforderungen großer Organisationen sind offensichtlich, und, ob wir wollen oder nicht, wir müssen sie zu unseren eigenen machen, damit unsere Ideen eine Chance zur Umsetzung haben. Das bedeutet, dass wir ernsthaft versuchen müssen, unseren Kunden bei ihren internen Problemen zu helfen, die häufig ein Ergebnis mangelnder Ressourcen sind. Wir sollten unser Ego zuhause lassen und stattdessen die Ärmel hochkrempeln, um Seite an Seite dafür zu arbeiten, dass das beste Ergebnis auf die Straße kommt. Beispielweise indem wir existierende Inhouse-Agenturen unterstützen. Indem wir uns in ihre Teams und Strukturen einbringen, legen wir die Basis für längere und vertrauensvollere Zusammenarbeit, die zu besseren Ergebnissen führt.

Wir müssen alle Kraft nutzen, um Konsumin die richtige Richtungzu steuern.

Wir müssen alle Kraft nutzen, um Konsumin die richtige Richtung zu steuern.

Der dritte Schritt, um Werbung in etwas zu transformieren, auf das wir stolz sein können, ist uns auf Kunden zu fokussieren, für die wir arbeiten wollen. Wir sollten unsere Zeit und Energie nicht auf die falschen Dinge verwenden.

Wir sollten nur für Unternehmen arbeiten, die sowohl wir als auch die Öffentlichkeit gerne erfolgreich sehen würden. Dabei fallen einem zuerst nachhaltige Unternehmen ein, die auf ethisch korrekte Weise faire Produkte und Dienstleistungen herstellen. Sie sind der Kern der guten Marken, die am erfolgreichsten sein sollten und bilden die Messlatte für alle anderen. Doch es geht noch viel weiter.

Wenn wir der Grundannahme zustimmen, dass Konsum eine Technik ist, die so bald nicht verschwindet, die man aber in die richtige Richtung lenken kann, bleibt die Frage: Was wäre denn guter Konsum? Das wäre abhängig vom Lebensstil, den eine Marke unterstützt. Marken, die einen guten Lebensstil fördern, sind solche, die dazu beitragen, ein gesünderes, sozialeres Leben im Einklang mit der Umwelt zu führen. Zum Beispiel in der Natur aktiv zu sein, neue Dinge zu lernen, als Familie oder in Gemeinschaft Zeit zu verbringen. Solche Marken schaden der Welt nicht, sondern machen das Leben besser. Auf solche Marken sollten wir uns konzentrieren. Sie verdienen bestmögliche kreative Ideen und Lösungen.

Selbstverständlich gibt es auch hier Grenzen. Es wird schwer sein, Unternehmen zu finden die in jeder Hinsicht tadellos sind und ohne Potenzial für Verbesserungen. Wichtig ist, dass sie dieselbe Mission teilen, der Welt nicht zu schaden und aktiv und aufrichtig versuchen, Dinge zu verbessern. THE GOODWINS möchten zu diesem Zweck sogar eigene Produkte und Services entwickeln. Als Alternative zu obligatorischen Charity-Projekten, möchte die Agentur ihr kreatives Talent sowie 10% des Jahresgewinns in ihr eigenes soziales Projekt stecken und damit im Grunde selbst jene Produkte und Services gestalten, von denen sie mehr in der Welt sehen möchten.

Wenn wir alle an das glauben, was wir tun, wenn wir es auf nachhaltige Weise tun, für die richtigen Auftraggeber, dann kann Werbung nicht nur die dunkle Phase des Konsums überdauern, sondern ihn sogar in bessere Zeiten führen.

Es sollte möglich sein. Wer will denn nicht, dass am Ende das Gute siegt?