Tim Stübane Horizont

Jedes Unternehmen will momentan als nachhaltig wahrgenommen werden, doch die Restriktionen der EU schieben der zumeist bewusst nur beschönigenden und irreführenden Kommunikation einen Riegel vor. Zurecht, findet Tim Stübane. Der The-Goodwins-Kreativchef erörtert in seiner Talking-Heads-Kolumne die Verantwortung von Agenturen beim Thema Greenwashing.

Ganz kurz, was ist denn Greenwashing genau?

Greenwashing bezeichnet die Praxis von Unternehmen oder Organisationen, sich in der Öffentlichkeit als umweltfreundlich oder nachhaltig darzustellen, obwohl dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Unternehmen können verschiedene Methoden des Greenwashings anwenden, um ein positives Image im Zusammenhang mit Umweltfragen zu erzeugen. Dazu gehören beispielsweise das Hervorheben einzelner umweltfreundlicher Initiativen, während die Hauptgeschäftstätigkeiten weiterhin umweltschädlich sind.

Nachdem wir (nun) allzu gut wissen, wie Greenwashing in anderen Industrien aussieht, wie würde Greenwashing in der Werbeindustrie wohl praktiziert werden? Zum Beispiel durch die Teilnahme an Awardshows, in denen nach wie vor eine überwältigende Anzahl von sogenannten „Social Cases“ eingereicht und belohnt werden. Sie suggerieren der Welt: Wir als Agentur tun etwas. Sie suggerieren den Mitarbeitenden: Toll, wie wir die Welt besser machen. Während diese Initiativen in der Regel kaum einen Einfluss auf die Welt haben und auch agenturintern in keinem Verhältnis zum Tagesgeschäft auf den üblichen bzw. üblen Verdächtigen stehen.

„Social Cases“ für Awardzwecke sind kein Instrument, von dem Wandel ausgeht. Im Gegenteil. Es frisst Kapazitäten für das Big Business, bei dem wirklich ein großer Hebel umgelegt werden könnte in Richtung Nachhaltigkeit, wenn die Energie und das Budget dafür da wäre. Denn gerade für diese oftmals komplexen und komplizierten Themen muss die Extrameile gelaufen werden.

Stattdessen werden Awardinitiativen an Mitarbeitende als Chance verkauft, die Welt ein wenig besser zu machen. Nach Feierabend. Nachdem sie fertig sind, die Welt ein wenig schlechter zu machen. Es geht um die Kompensation des Was-mach-ich-hier-eigentlich-Gefühls und die Legitimation des eigenen Verhaltens. Aber bitte mit Substanz!

Es wächst eine Generation von Kreativen heran, die denkt, dass Awardideen auf einem Good Cause basierend die Welt verbessern können. Dabei kann niemand ernsthaft glauben, dass solche Ideen zum Besseren in der Agentur führen.

„Social Cases“ für Awardzwecke sind kein Instrument, von dem Wandel ausgeht. Im Gegenteil. Es frisst Kapazitäten für das Big Business, bei dem wirklich ein großer Hebel umgelegt werden könnte in Richtung Nachhaltigkeit, wenn die Energie und das Budget dafür da wäre. Tim Stübane

Auch von den Macher*innen der Events würde ich mir andere Kategorien und andere Bewertungsparameter wünschen, die letztlich eine bessere Werbewelt provozieren. Wer wirklich etwas Gutes bewirken will, muss sich des Themas Nachhaltigkeit tiefgründiger annehmen. Und es gibt sie ja auch, die guten Awards. Ein Beispiel ist der Marketing for Future Award, er setzt seit ein paar Jahren Maßstäbe für erfolgreiche Kommunikation, für die Übernahme von Verantwortung im Marketing und im Kampf gegen den Klimawandel.

Wir als Agenturen sind hier verantwortlich, diesen Wandel mitzugestalten

Die Awardsaison 2023 geht jetzt in die letzte Phase. Ich bin gespannt, wer dieses Jahr die Nase vorn haben wird. Schon jetzt ist allerdings klar: die Umwelt wird’s nicht sein. Hier ein CTA an alle: Beweist gerne das Gegenteil!