von Reiner Kepler Meedia.de
The Goodwins sucht seine Kunden nach ethischen Aspekten aus. In dieses Raster passen auch Deutsche Telekom und Stihl. Manchmal überzeugt die Kreativagentur aber auch Firmen, in die richtige Richtung zu gehen.
Die junge Kreativagentur The Goodwins hat dem schwierigen Coronajahr 2020 mehr als getrotzt und wächst dank Neukunden wie Deutsche Telekom, WWF und der Mietplattform Grover von zwölf auf nun 16 Mitarbeiter. „Wir stellen gerade weiter ein und werden bald ein Team von 20 Leuten sein“, sagt Co-Gründer und Geschäftsführer Tim Stübane im Gespräch mit MEEDIA.
Der größte Neukunde für die kleine, Mitte 2018 eröffnete Agentur ist der Bonner Telekom-Konzern. Für ihn entwickelt sie nach einem Pitch die Nachhaltigkeitskommunikation. Damit agiert The Goodwins beim Telko-Anbieter passgenau zum Markenkern der Berliner Agentur, der da lautet: „Wir kämpfen dafür, dass das Gute gewinnt.“ Erste Projekte für die Telekom sind schon abgeschlossen, sie dürften dieser Tage in Social Media aufpoppen.
Für Mietplattform Grover Marke und Kommunikation entwickelt
Ebenfalls nach einem Pitch setzt der WWF auf The Goodwins. Die Umweltschutzorganisation gibt bei den Werbern eine Kampagne in Auftrag, um Aufmerksamkeit auf die Earth Hour 2021 am 27. März zu lenken und möglichst viele Menschen, Städte und Unternehmen zum Mitmachen zu bewegen. Die Kampagne für das wichtigste und sichtbarste Projekt des WWF wird in der zweiten Februarhälfte starten.
Für die Technik-Mietplattform Grover hat die Agentur eine umfassende Aufgabe für Marken- und Kommunikationsentwicklung übernommen. Der Markenpart ist erledigt, aktuell sitzt das Team um Stübane an der Gestaltung der kommunikativen Maßnahmen. Deren Start soll im Frühjahr erfolgen. Der Betreiber dahinter, die Grover Group GmbH, hat seinen Sitz in Berlin und wird von CEO Michael Cassau gelenkt.
Für Gesicht zeigen e.V. denkt sich The Goodwins eine Art Forschungskampagne zum Thema Demokratie aus – nicht rein als Staatsform, sondern als eine Form des Zusammenlebens überhaupt. Zunächst werden Teenager auf das Thema angesprochen, und im zweiten Schritt werden sie befragt. Die Agentur leistet hier also Kommunikation und Marktforschung aus einer Hand – nicht pro bono, wie oft bei Auftraggebern aus dem Bereich, sondern als bezahltes Projekt. Darüber hinaus setzte sich ein Solarenergieunternehmen auf die Kundenliste der Berliner. Namentlich genannt werden darf es noch nicht, mehrere Projekte sind bereits angelaufen.
Ebay mit der von The Goodwins erdachten Kampagne „Lasst uns handel!“
Als Lead-Agency die Ebay-Werbung umgekrempelt
Wie bei der Telekom ist auch bei Ebay Kleinanzeigen Nachhaltigkeit das Kernthema. The Goodwins gewann das Portal im vergangenen Jahr und hat als Leitagentur eine neue Kommunikationslinie für den Kunden entworfen. Der Claim: „Lasst uns handeln!“
Co-Gründerin Franka Mai sieht die Kampagne für Ebay Kleinanzeigen als Highlight in 2020:
„Für uns ein strategisch-kreativer Volltreffer, der die Positionierung der Agentur mit Leben gefüllt und für starke Sichtbarkeit gesorgt hat. Der Case vermittelt einen Teil unserer Philosophie: Nachhaltigkeit so freudig und leichtfüßig vermittelt, damit sie Akzeptanz findet und Teil der Pop-Kultur wird sowie Massen bewegen kann. Der große Erfolg der Kampagne bestätigt den Ansatz von The Goodwins.“
On top kam eine Kooperation von Ebay und dem Gesicht zeigen-Verein mit einer Kampagne gegen Hass im Netz. Das Motto: „Stoppt Hass. Macht Spaß.“
Wie Goodwins die Arbeit für Motorsägenhersteller Stihl rechtfertigt
Zusätzlich zu den genannten Kunden zählen auch die Industrieunternehmen Fischer und Stihl zum Portfolio. Für den Motorsägenhersteller Stihl brachte das Team um Mai und Stübane 2019 die bis dato größte Endverbraucherkampagne des Unternehmens heraus – die zudem global angelegt war. Dabei wurde die Profi-Expertise von Stihl auf das Garten-Consumersegment übertragen und die akkubetriebene Compact-Geräteserie beworben. Allerdings trägt das Unternehmen mit Zentrale im süddeutschen Waiblingen-Neustadt mit seinen großen Motorsägen einen erheblichen Anteil an der wenig nachhaltigen Regenwaldrodung auf der gesamten Erde.
Mai sagt dazu:
„Jede Technologie, jedes Werkzeug kann – und wird leider auch missbraucht. Stihl ist im Forst groß geworden. Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft. Forstpflege und damit ein gesunder Wald brauchen das richtige Werkzeug. Das liefert Stihl in herausragender Qualität. Die Ursachen für die unfassbare Waldrodung liegen doch ganz woanders. Es ist ein billiger und bequemer Reflex, auf diese Art einen vermeintlich Schuldigen zu bestimmen. Man kann und sollte mit einer Motorsäge beispielsweise auch Obstbäume beschneiden. Das unterstützt den Baum in seinem Wachstum und Ertrag.“
Der Goodwins-Auftrag von Stihl bezieht sich überwiegend auf den Bereich Garden Tools. Und diese Werkzeuge sorgen dafür, dass die Menschen mehr Zeit draußen in der Natur verbringen. „Das tut den Menschen gut und hat positive Auswirkungen auf das gesellschaftliche Miteinander.“
Früher in Top-Positionen großer Agenturen
Die drei Gründer von The Goodwins arbeiteten früher in hochrangigen Positionen großer Agenturen. Franka Mai und Tim Stübane bei Ogilvy in Berlin, sie als Strategiechefin, er als Geschäftsführer Kreation. Mirko Stolz wirkte als Geschäftsführer Kreation bei BBDO, ebenfalls am Standort Berlin. Alle sind Inhaber der Agentur, und zwar zu gleichen Teilen. Etwa ein Jahr nach der Gründung stieß der vierte im Bunde dazu, Maurice Pfleiderer. Er war einst Geschäftsführer bei der Vorzeigeagentur Springer & Jacoby und danach zehn Jahre lang als selbständiger Nachhaltigkeitsexperte aktiv. Bei Goodwins zeichnet er als Geschäftsführer Beratung.
Einer der jüngst hinzugekommenen Neuen ist Jakob Cantz. Seit Anfang Januar entlastet er als Senior Creative die Kreativgeschäftsführer Stolz und Stübane. Mit seiner Expertise will die Agentur ihre kreative Qualität weiterhin hoch gehalten – trotz Wachstum. Vorher war der 31-Jährige bei Metadesign, Serviceplan und zuletzt fünf Jahre bei Scholz & Friends Berlin tätig. Dort verantwortete er die Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“, den Kunden Metropole Ruhr und Neugeschäft. Sein neues Büro befindet sich fortan in einer ehemaligen Ost-Kita, zusammen mit der Filmproduktion Trigger Happy, der Musikfirma Tracks and Fields und der Innovationsberatung PCH – mit dazugehörigem Garten und Gemeinschaftsküche.
Vier Fragen an Franka Mai
Ihre Werte sind Nachhaltigkeit, Transparenz, Fairness und Gleichberechtigung. Wenn aus einer Firma, die diese Werte nicht erfüllt, ein Manager und dessen Marke sie dagegen erfüllt, arbeiten Sie für ihn?
Nein, das reicht nicht. Ein solcher Sachverhalt wird Betrachter*nnen am Markt nicht transparent. Und lässt sich schwer vermitteln, ergo schadet uns. Wenn wir aber den Eindruck haben, dass ein Unternehmen sich ernsthaft auf den Weg macht, beispielsweise in Sachen Nachhaltigkeit, dann ist das unterstützenswert. Wenn wir diesem Bereich im Unternehmen zu Erfolg verhelfen, wird er in der Regel Budgets aus anderen Unternehmensbereichen anziehen.
Wenn eine Firma knapp Ihre Werte nicht erfüllt, versuchen Sie einzuwirken, damit es passt?
Wir sind in jedem Fall bereit, darüber zu sprechen und darauf aufmerksam zu machen, woran es unserer Meinung nach hakt und was Lösungen sein können. Wenn es dann eine Möglichkeit gibt, das Unternehmen auf diesem Weg zu begleiten, tun wir das gerne. Diese Themen sind aber tiefgreifend und komplex. Sie müssen daher vom Unternehmen insgesamt getragen werden.
Was differenziert Sie von typischen Purpose-Agenturen wie Scholz & Friends Purpose oder Human Unlimited?
Alles was wir machen, soll vor allem eins tun: Die Welt und den Konsum ein bisschen in die richtige Richtung zu schubsen. Dazu gehört für uns, dass die Arbeit, die wir machen, sichtbar wird. Als Kampagne, Aktion, vielleicht auch mal als Produktinnovation. Auch wenn wir dafür als Basis zuerst mit einer Purpose-Entwicklung starten, ist sie für uns nie das End Game. Der beste Purpose, die beste Strategie nützt nichts, wenn sie nicht umgesetzt und gelebt wird. Das unterscheidet uns von reinen Purpose-Consultancies, die die Purpose-Entwicklung von der weiteren Kommunikation entkoppeln.
Welche Kunden hätten Sie gern?
Eine gute Bank. Eine gute Fashionmarke. Das sind Branchen mit einem riesigen Hebel. Darum geht es ja immer: Wodurch bewege ich am meisten? Und natürlich noch viele mehr… Am liebsten aus jeder Branche. Einen starken Hebel sehen wir auch beim Handel, also zum Beispiel einem guten Supermarkt oder Baumarkt. Oder bei Mobilität. Überall dort, wo wir im Alltag bessere Alternativen zum Status Quo etablieren können.